Nachbarn müssen Lärm in Flüchtlingsunterkunft nicht hinnehmen

Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart muss das Landratsamt Esslingen geeignete Maßnahmen gegen in ihrer Unterkunft lärmende Asylbewerber ergreifen. Dabei geht es vor allem um laute Musik, übermäßig laute Unterhaltungen und Geschrei zur Nachtzeit (Az.: 2 K 6575/16).

Mit ihrer Klage gegen Lärm von einer benachbarten Flüchtlingsunterkunft waren in Baden-Württemberg die Eigentümer eines Wohnhauses erfolgreich. Das Verwaltungsgericht Stuttgart verurteilte das Landratsamt Esslingen als Vertreter des Landes dazu, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Lärmbelästigungen zu unterbinden, welche die Bewohner der Unterkunft verursachen.

Für die Unterbringung der Flüchtlinge hatte der Landkreis Esslingen im Herbst 2015 von privat ein Zweifamilienhaus angemietet und darin in Spitzenzeiten bis zu 23 Asylbewerber untergebracht. Küche sowie Essbereich und Gemeinschaftsräume der Unterkunft befinden sich im Erd- und Obergeschoss jeweils auf der dem Grundstück der Kläger zugewandten Seite. Diese beschwerten sich über andauernde Ruhestörungen und Lärmbelästigungen insbesondere in den Nachtstunden in Form von lauter Musik bei offenen Fenstern sowie lautstarken Unterhaltungen und Geschrei. Da aus Sicht der Kläger diese Lärmbelästigungen unzumutbar seien, machten sie einen öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch geltend. Das beklagte Bundesland hingegen bewertete die Geräuschbelästigungen als ortsüblich, sozialadäquat und zumutbar. Zudem habe sich das Land um eine Entspannung der nachbarlichen Verhältnisse bemüht und beispielsweise die Obergrenze der Belegung auf 17 Personen reduziert.

Dieser Sichtweise folgte das Verwaltungsgericht jedoch nicht. Vielmehr sei das Landratsamt Esslingen zum Ergreifen geeigneter lärmmindernder Maßnahmen verpflichtet, weil es sich die von den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft ausgehenden Störungen zurechnen lassen müsse. Die Richter bezeichneten die Standortentscheidung als "unglücklich" und kritisierten, dass kein Baugenehmigungsverfahrens stattgefunden habe. Denn die Anmietung des Gebäudes für die Erstunterbringung sei eine Nutzungsänderung, für die eine Baugenehmigung hätte eingeholt werden müssen. Dies zu tun habe das Landratsamt aber unterlassen. "Sie betreiben seit fast vier Jahren eine Gemeinschaftsunterkunft formell illegal", zitiert die Stuttgarter Zeitung Richter Frank Wenger. Auf dem Grundstück der Unterkunft sei allein die Nutzung eines Zweifamilienwohnhauses genehmigt. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe jedoch ergeben, dass der Lärm, der nun aus dem Haus dringe, deutlich lauter sei als das, was man bei einem Zweifamilienhaus normalerweise erwarten könne.

Das Urteil vom 11. Juni 2019 ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Berufung einlegen.

Erstellt von (Name) S.H. am 24.06.2019 Geändert: 20.12.2019 10:42:21 Autor:  Petra Hannen Quelle:  Verwaltungsgericht Stuttgart, Stuttgarter Zeitung Bild:  panthermedia.net / Lars Zahner

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