Wann ist eine Abrissverfügung wegen Baurechtsverletzungen zulässig?
Wer gegen das
deutsche Baurecht verstößt, muss mit einer Abrissverfügung der Baubehörde rechnen – gewissermaßen der Super-GAU für Bauherren und Vermieter. Wann ist so etwas zulässig?
Im Mai 2025 berichtete die Presse über einen Fall aus
Bayern: In
Wolfrathshausen bei München hatte die Baubehörde festgestellt, dass drei neu gebaute Einfamilienhäuser ganze 36 Zentimeter höher waren, als es die Baugenehmigung vorsah. Die Häuser wurden vom gleichen Eigentümer errichtet und dann verkauft. Die Behörde erließ eine Verfügung, in der sie den Bauherren zum Abriss und die neue Eigentümerin der mittlerweile vermieteten Häuser zur Duldung der "Beseitigung" verpflichtete. Die Verfügung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt.
Wann handelt es sich um einen "Schwarzbau"?
Von einer Abrissverfügung sind meist sogenannte "
Schwarzbauten" betroffen. Darunter versteht man Gebäude oder Teile davon, die ohne Baugenehmigung oder im Widerspruch zu Bauvorschriften errichtet wurden. Zum zweiten Punkt muss man wissen: In Deutschland sind zwar viele Bauvorhaben genehmigungsfrei oder unterliegen einem vereinfachten Genehmigungsverfahren. Die Vorgaben des Baurechts und des örtlichen Bebauungsplans sind trotzdem einzuhalten. Dazu gehören etwa die Abstände zum Nachbargrundstück oder nicht bebaubare Flächen.
Heute überlassen die Baubehörden gerade in größeren Städten das Auffinden von Schwarzbauten nicht mehr dem Zufall. Stattdessen wird mit
Luftbildern oder Drohnen danach gesucht. Die Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung ist also hoch.
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Was gilt für Verstöße bei laufenden Bauvorhaben?
Nicht immer kommt es zu einer
Abrissverfügung. Handelt es sich um ein noch laufendes Bauprojekt, kann manchmal ein
Genehmigungsverfahren nachgeschoben werden. Dann verzögert sich der Bau nur. Voraussetzung ist, dass das Bauvorhaben mit einigen Änderungen als genehmigungsfähig angesehen wird.
Kann ein Schwarzbau Bestandsschutz haben?
Bestandsschutz bedeutet, dass ein schon länger bestehendes Gebäude so stehen bleiben darf, wie es ist. Allerdings wäre es falsch, zu glauben, dass jedes Haus oder jeder Umbau oder Anbau ohne Baugenehmigung Bestandsschutz genießt, nur weil die Baubehörde jahrelang nichts dagegen getan hat. Ein Bestandsschutz setzt voraus, dass das Gebäude bei seiner
Errichtung entweder
- eine Baugenehmigung besaß und nicht wesentlich geändert worden ist oder
- zwar ohne Baugenehmigung gebaut wurde, aber im Einklang mit den zur Zeit seiner Errichtung gültigen Vorschriften und Bebauungsplänen.
Wenn sich dann
nachträglich Bauvorschriften ändern, kann die Baubehörde sich dank Bestandsschutz nicht auf Regelverstöße berufen und womöglich den Abriss verlangen. Allerdings muss der Eigentümer im Zweifel beweisen, dass das Gebäude im Einklang mit den Regeln errichtet wurde.
Einen grundsätzlichen Bestandsschutz für Schwarzbauten nur durch Zeitablauf gibt es also nicht.
In der ehemaligen
DDR konnte die Baubehörde keinen Abriss mehr fordern, wenn ein Gebäude ohne Genehmigung seit mehr als fünf Jahren bestanden hatte. Dieser Bestandsschutz gilt fort. Das heißt: Auch heutige Bauämter können in den betreffenden Bundesländern nicht den Abriss von Altbauten verlangen, die schon während der DDR-Zeit unter die
Fünf-Jahres-Regel gefallen sind. Für neuere Gebäude gilt dies nicht (OVG Weimar, Urteil vom 18.12.2002).
Wann ist die Möglichkeit für eine Abrissverfügung verwirkt?
Die Möglichkeit der Baubehörde, etwas gegen einen Schwarzbau zu unternehmen, kann in bestimmten Fällen verwirkt sein. Dabei spielen
zwei Faktoren eine Rolle:
- der Zeitablauf (hier gibt es keine feste Anzahl von Jahren) und
- dass die Behörde aktiv den Eindruck erweckt hat, dass sie den Bau genehmigen oder dulden werde.
Diese Regel wurde vom
Bundesverwaltungsgericht aufgestellt (Urteil vom 5.8.1991, Az. 4 B 130.91).
Gibt es eine nachträgliche Baugenehmigung?
Ein nicht genehmigtes Bauwerk kann nachträglich genehmigt werden. Dazu muss es
genehmigungsfähig sein. Es muss also den Bauvorschriften und Bebauungsplänen entsprechen. Dabei sind jedoch die heutigen Vorschriften relevant und nicht die vom Zeitpunkt seiner Errichtung. Ein Bußgeld für den Schwarzbau droht trotzdem.
Urteil: Altbau ohne Baugenehmigung
In
Nordrhein-Westfalen stellte eine Baubehörde fest, dass für ein zwischen 1936 und 1944 gebautes
Einfamilienhaus keine Baugenehmigung vorlag. Obendrein war es aus heutiger Sicht nicht genehmigungsfähig, da der Grenzabstand zum Nachbargrundstück nicht eingehalten war. Es erging eine Abrissverfügung mit Zwangsgeldandrohung. Die Eigentümerin wehrte sich vor Gericht.
Das
Oberverwaltungsgericht NRW entschied: Die Baubehörde habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Zwar gelte hier schon wegen des Abstandsverstoßes kein Bestandsschutz. Das Haus sei jedoch bereits vor Kriegsende als Wohnhaus genutzt worden. Bauämter könnten sogenannte Stichtagsregelungen berücksichtigen. Das Ende des Zweiten Weltkrieges sei ein entsprechender Stichtag. Im Krieg seien bei Privatleuten und Behörden viele Akten verloren gegangen. Zeugen aus der damaligen Zeit lebten nicht mehr. Es sei kaum möglich, zu beweisen, ob das Haus vor 70 Jahren mit Baugenehmigung errichtet worden sei. Die Behörde sei verpflichtet gewesen, diese Umstände bei ihrer Ermessensausübung zu berücksichtigen, statt einfach auf die fehlende Baugenehmigung zu verweisen.
Ob die
Stichtagsregelung angewendet würde, liege grundsätzlich im Ermessen der Baubehörde. Diese müsse jedoch begründen, warum sie die Stichtagsregelung nicht anwende (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.2.2016, Az. 7 A 19/14).
Urteil: Unzulässiges Wochenendhaus
Anders entschied das OVG Nordrhein-Westfalen im Fall eines
Wochenendhauses von 1960. Dieses stand im Außenbereich einer Gemeinde. Aus Sicht der Baubehörde war es nicht genehmigt und nicht genehmigungsfähig. Die Eigentümer beriefen sich darauf, dass die Baubehörde das Haus jahrelang geduldet habe.
Laut Gericht ist nur eine aktive Duldung relevant. Dazu müsse das Bauamt Erklärungen abgegeben haben, aus denen sich hinreichend deutlich ergebe, ob, in welchem Umfang und gegebenenfalls in welchem Zeitraum die
Duldung des illegalen Zustands gelten solle. Hier habe es einen Vergleich mit den verstorbenen Eltern der Eigentümer gegeben. Dieser habe nur eine Duldung für die Lebenszeit der Eltern beinhaltet und gelte nicht für die Kinder. Daher blieb die Abrissverfügung hier bestehen (Urteil vom 20.4.2016, Az. 7 A 1367/14).
Zum Münchener Fall: Warum hat das Bayerische Gericht so entschieden?
Der eingangs erwähnte Fall der drei Häuser, die 36 Zentimeter zu hoch waren, erscheint skurril. Bei näherem Hinsehen bezog das Gericht jedoch weitere Faktoren ein.
Die drei Einfamilienhäuser waren abweichend von der Baugenehmigung errichtet worden. Die
Wand- und
Firsthöhen waren erhöht worden, das Gelände war aufgeschüttet worden. Der Bauherr hatte die Dachneigung verändert, die Terrassenflächen erweitert, anstelle von Carports Doppelgaragen errichtet und die Baugrundstücke eingefriedet. Die Baubehörde hatte noch während des Baus Baueinstellungsverfügungen erlassen. Der Bauherr hatte einfach weitergebaut und versucht, das Ganze nachträglich genehmigen zu lassen. Damit war er gescheitert.
Der VGH München erklärte: Beim Vergleich eines genehmigten mit dem tatsächlich gebauten Bauwerk komme es auf Standort, Grundfläche, Bauvolumen, Zweckbestimmung, Höhe, Dachform oder Erscheinungsbild an. Ob eine Abweichung noch erlaubt sei, hänge von ihrer Erheblichkeit im Einzelfall ab. Die
Wandhöhen seien besonders wichtig, weil sich ein zu hohes Gebäude nachträglich schwer ändern lasse.
Eine
Teilbeseitigung als milderes Mittel anstelle einer vollständigen Beseitigung komme nur in Frage, wenn dadurch zumindest im Wesentlichen rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten.
Hier kam für das Gericht nur der
Abriss in Frage, da die Gebäude allzu sehr von der Genehmigung abwichen (VGH München, Beschluss vom 28.4.2025, Az. 1 ZB 24.1940).
letzte Änderung U.M. am 25.08.2025
Autor(en):
Ulf Matzen
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Autor:in
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Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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