Wann hat der Mieter ein Vorkaufsrecht an der Wohnung?

Ulf Matzen
Wer eine Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umwandelt und verkauft, muss rechtzeitig an das Vorkaufsrecht des Mieters denken. Vermietern drohen hohe Schadensersatzforderungen.

Wann haben Mieter ein Vorkaufsrecht an einer Wohnung?

So manches Mietshaus wird bei laufenden Mietverhältnissen in Wohneigentum umgewandelt. So können die Eigentumswohnungen als einzelne Einheiten verkauft werden. Die Mietverträge bleiben unverändert bestehen. Die neuen Eigentümer treten als Vermieter in den Mietvertrag ein. Für Mieter steigt das Risiko einer Eigenbedarfskündigung, denn viele Käufer wollen selbst einziehen. Der Gesetzgeber hat Maßnahmen getroffen, um Mieter zu schützen. So gibt es eine dreijährige Kündigungssperre, die sich in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt auf bis zu zehn Jahre verlängern kann.

Darüber hinaus haben Mieter nach § 577 BGB ein Vorkaufsrecht an der Wohnung, wenn diese nach Abschluss des Mietvertrages in Wohneigentum umgewandelt und erstmalig verkauft wird.

Wie läuft eine Umwandlung in Wohneigentum ab?

Durch eine notariell beurkundete Teilungserklärung wird das Gebäude in einzelne Wohnungen und Gemeinschaftseigentum aufgeteilt. Mit der Eintragung im Grundbuch entsteht Sondereigentum an den einzelnen Wohnungen und Miteigentum am Gemeinschaftseigentum des Gebäudes. Es entsteht eine Wohnungseigentümergemeinschaft.

Muss der Vermieter seine Mieter über eine Umwandlung informieren?

Vermieter müssen ihre Mieter nicht über eine Umwandlung informieren. Sie müssen sie jedoch bei einem Verkauf über ihr Vorkaufsrecht und den Inhalt des Kaufvertrages in Kenntnis setzen. Ersatzweise kann auch der Käufer den Mieter informieren. Die Mitteilung muss unverzüglich nach Vertragsabschluss erfolgen (§ 469 BGB), aber vor Eintragung des neuen Eigentümers ins Grundbuch. Nach dem Landgericht Berlin muss der Vermieter den Mieter auch schon über einen rechtsverbindlichen Vorvertrag mit einem Käufer informieren (13.9.2022, Az. 65 S 102/21).
Sinnvollerweise sollte auch der ursprüngliche Käufer von Anfang an über das Bestehen des Vorkaufsrechts informiert werden. Im Kaufvertrag empfiehlt sich für den Verkäufer die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts gegenüber dem Erstkäufer für den Fall, dass der Mieter sein Vorkaufsrecht ausübt. Der ursprüngliche Kaufvertrag wird dadurch nämlich nicht unwirksam. Hier besteht die Gefahr von Schadensersatzforderungen des Erstkäufers. 

Wie wird ein Vorkaufsrecht ausgeübt?

Das Vorkaufsrecht entsteht mit Abschluss eines rechtsgültigen Kaufvertrages zwischen dem Vermieter und einem Dritten. Dann hat der Mieter zwei Monate Zeit, sein Vorkaufsrecht auszuüben. Dazu muss er eine schriftliche Erklärung gegenüber dem bisherigen Vermieter abgeben, also auf Papier mit eigenhändiger Unterschrift. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts tritt der Mieter als Käufer in den bestehenden Kaufvertrag ein, und zwar zu den gleichen Bedingungen, wie mit dem ursprünglichen Käufer ausgehandelt. Der Mieter darf nicht durch einen höheren Preis benachteiligt werden. Der Anspruch des ursprünglichen Käufers auf Übereignung der Wohnung verfällt. Der Mieter hat nun einen Übereignungsanspruch. Eine Vorkaufserklärung ist bindend und nicht widerruflich.  

Hat der erste Käufer sich im Kaufvertrag dazu verpflichtet, Kosten etwa für Notar oder Makler zu tragen, ist der Mieter daran gebunden. Hat der Erstkäufer diese Kosten bezahlt, hat er einen Erstattungsanspruch gegen den Mieter. Ausnahme: Die Maklerprovision ist überhöht oder wurde extra hineingeschrieben, um ihn abzuschrecken. Bei einer überhöhten Provisionsforderung muss er nicht einmal die übliche Provision bezahlen (BGH, 12.5.2016, Az. I ZR 5/15).  

Welche Rechte haben Mieter bei Missachtung ihres Vorkaufsrechts?

Mieter können erhebliche Schadensersatzansprüche haben. So können sie laut BGH als entgangenen Gewinn die Differenz zwischen Verkehrswert der Wohnung und Kaufpreis verlangen. Vom Kaufpreis sind die Kosten abzuziehen, die der Mieter beim Erwerb hätte zahlen müssen (z. B. Maklerprovision). Dieser Anspruch besteht auch, wenn ein Mieter ein Vorkaufsrecht nicht ausübt, nachdem er schließlich doch vom Verkauf erfahren hat. Im konkreten Fall ging es um rund 80.000 Euro (21.1.2025, Az. VIII ZR 51/14).
  

Wann haben Mieter bei Umwandlung kein Vorkaufsrecht?

Mieter haben kein Vorkaufsrecht, wenn die Wohnung an einen Familienangehörigen ihres Vermieters oder an einen Angehörigen seines Haushalts verkauft wird. Das Vorkaufsrecht entfällt auch, wenn die Wohnung schon vor dem Einzug des Mieters in Eigentum umgewandelt wurde. Auch bei Gewerbeimmobilien besteht kein Vorkaufsrecht.

Was gilt bei Teileigentum?

Teileigentum ist nach § 1 Abs. 3 WEG das Sondereigentum an Räumen, die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum. Das Teileigentum gibt dem Eigentümer ein ausschließliches Nutzungsrecht an bestimmten Räumen eines Gebäudes, die nicht zum Wohnen dienen, etwa Garagen, Lagerräume oder gewerblich genutzte Räume. 

Angenommen, eine Mietwohnung soll nicht in Wohneigentum umgewandelt werden, sondern in Teileigentum, weil dort zum Beispiel eine Arztpraxis einziehen soll. Hat der Mieter ein Vorkaufsrecht?

Ein Mieter hatte seit 2006 in einem Mehrfamilienhaus mit 12 Parteien gewohnt. Im Dezember 2017 wandelte der Eigentümer die Wohneinheit in Teileigentum um und verkaufte sie an ein Unternehmen. Dieses informierte den Mieter im Januar 2018 über sein innerhalb von zwei Monaten auszuübendes Vorkaufsrecht und schickte ihm den Kaufvertrag.

Der Mieter ließ sich jedoch bis August 2019 Zeit, um zu erklären, dass er sein Vorkaufsrecht ausüben wollte. Im Juni 2018 war das Unternehmen jedoch bereits als neuer Eigentümer ins Grundbuch eingetragen worden. Der Mieter forderte nun Schadensersatz, da er sich um sein Vorkaufsrecht betrogen fühlte. 

Der Bundesgerichtshof betonte, dass § 577 Abs. 1 BGB sich nur auf die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohneigentum beziehe. Bei Umwandlung in Teileigentum würde die Vorschrift vom Wortlaut her nicht greifen. Aber: Würden die Räume vom Mieter tatsächlich zum Wohnen genutzt, sei die Regelung analog auch auf die Umwandlung in Teileigentum anwendbar. Es gebe keinen Grund, Mieter in einem solchen Fall anders zu behandeln. Immerhin hätten sie nach dem Verkauf ebenfalls einen neuen Vermieter, der Eigenbedarf geltend machen könne.

Dies sei auch der Fall, wenn die Teilungserklärung eine gewerbliche Nutzung vorsehe. Schließlich könne der neue Eigentümer die Zweckbestimmung auch wieder in eine Wohnnutzung ändern, wenn dies die Gemeinschaftsordnung erlaube. Sinn des § 577 Abs. 1 sei der Schutz der Mieter vor einer Eigenbedarfskündigung. Dieser Schutzzweck sei auch bei der Umwandlung in Teileigentum betroffen.

Nach dem BGH kann also auch bei Umwandlung in Teileigentum ein Vorkaufsrecht bestehen (Urteil vom 21.5.2025, Az. VIII ZR 201/23).

Mieter-Vorkaufsrecht versus dingliches Vorkaufsrecht

Nicht nur Mieter können ein Vorkaufsrecht haben. Ein sogenanntes dingliches Vorkaufsrecht kann vom Eigentümer zugunsten einer beliebigen Person ins Grundbuch eingetragen werden und stellt dann eine Grundstücksbelastung dar. Diesen Schritt geht man zum Beispiel, um einem Familienmitglied die erste Möglichkeit zum Kauf zu geben. Ein im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht wirkt als Verfügungssperre im Hinblick auf andere Verkäufe. Soll das Grundstück an jemand anderen verkauft werden, ist die Zustimmung des Vorkaufsberechtigten erforderlich. Das dingliche Vorkaufsrecht ist vom schuldrechtlichen Vorkaufsrecht zu unterscheiden, welches zwischen zwei Beteiligten vertraglich vereinbart wird.

Der Bundesgerichtshof hat sich mit dem Fall eines Wohnungseigentümers befasst, der seine vermietete Wohnung an einen Dritten verkaufen wollte. Die Exfrau des Eigentümers hatte ein im Grundbuch eingetragenes, dingliches Vorkaufsrecht. Der Mieter machte sein Vorkaufsrecht aus § 577 BGB geltend. Wessen Vorkaufsrecht hatte Vorrang?

Der BGH entschied: Das dingliche Vorkaufsrecht habe Vorrang, wenn die begünstigte Person eine Familienangehörige im Sinne von § 577 Abs. 1 BGB sei. Dies sei hier der Fall, da auch geschiedene Ehepartner immer noch als Familienangehörige in diesem Sinne anzusehen wären. Nicht entscheidend sei, ob das dingliche Vorkaufsrecht vor oder nach Einzug des Mieters entstanden sei (27.9.2024, Az. V ZR 48/23).



letzte Änderung U.M. am 28.10.2025
Autor(en):  Ulf Matzen


Autor:in
Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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