Eine
Milieuschutzsatzung soll den Charakter eines Stadtviertels bewahren oder auch alteingesessene Mieter vor Gentrifizierung schützen. Sie blockiert aber auch bauliche Veränderungen. Wie wirkt sich dies auf vermietete Immobilien aus?
Was ist eine Milieuschutzsatzung?
Eine Milieuschutzsatzung oder Erhaltungssatzung ist ein
städtebauliches Instrument. Sie ist im Baugesetzbuch geregelt. Gemeinden können sie dazu nutzen, die vorhandene Bevölkerung in einem bestimmten Gebiet vor Verdrängung durch Modernisierungsmaßnahmen mit entsprechenden Mieterhöhungen zu schützen. Eine solche Satzung dient nach § 172 Abs. 1 S.1 1 Nr. 2 BauGB ausdrücklich dem Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung.
Eine Milieuschutzsatzung kann jedoch auch den Zweck verfolgen, den städtebaulichen Charakter eines Gebietes zu erhalten, etwa weil es dort ein besonders
charakteristisches Stadtbild gibt, das nicht durch modern aussehende Gebäude gestört werden soll.
Was verbietet eine Milieuschutzsatzung?
Die Satzung macht den
Rückbau, die Änderung oder die
Nutzungsänderung baulicher Anlagen genehmigungsbedürftig. Die Landesregierungen dürfen darüber hinaus festlegen, dass Wohngebäude im Bereich solcher Satzungen für fünf Jahre nicht ohne Genehmigung in Wohneigentum oder Teileigentum umgewandelt werden dürfen.
Unterbunden werden sollen insbesondere
- besonders aufwändige, wohnwerterhöhende Modernisierungen ("Luxusmodernisierung"),
- die Zusammenlegung oder Teilung von Wohnräumen/Wohnungen,
- die Umnutzung von Wohnungen in Gewerbe oder Ferienwohnungen,
- der Abriss von Wohngebäuden.
Wann darf ein Milieuschutzgebiet eingerichtet werden?
Um eine
soziale Erhaltungssatzung zu erlassen, muss in der Regel zunächst ein Gutachten angefertigt werden, das dem betreffenden Gebiet der Stadt bescheinigt, besonders stark durch Gentrifizierung bedroht zu sein. Erster Schritt ist meist ein sogenanntes
Grobscreening, bei dem im Rahmen einer eher oberflächlichen Untersuchung festgestellt wird, ob es in dem Gebiet Anzeichen für Gentrifizierung gibt. Dann folgen genauere Untersuchungen.
Bei einer städtebaulichen Erhaltungssatzung müssen ebenso Untersuchungen durchgeführt werden, die einen
schützenswerten Charakter des betreffenden Gebietes untermauern. Insbesondere ist eine umfassende Bestandsaufnahme der baulichen Strukturen im jeweiligen Gebiet durchzuführen und zu begründen, warum diese erhaltungswürdig sind.
Kann man gegen ein Milieuschutzgebiet klagen?
Die Einrichtung eines Milieuschutzgebietes per Satzung kann durch eine sogenannte
Normenkontrollklage vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden. Das Gericht wird dann prüfen, ob tatsächlich ausreichend Anlass für die Einrichtung eines solchen Gebietes bestand.
Beispiel: Das Oberverwaltungsgericht Berlin wies 2021 eine Klage gegen das soziale Milieuschutzgebiet "Schöneberger Süden" ab. Die Satzung stelle keine überzogenen Anforderungen an die Vermutung einer Verdrängungsgefahr für Bewohnerinnen und Bewohner. Die vom Bezirksamt in Auftrag gegebene Untersuchung über die Verdrängungsrisiken biete keinen Anlass für Beanstandungen. Fragebögen und mündliche Befragungen hätten ergeben, dass 40 % der Haushalte in diesem Gebiet nur über unterdurchschnittliche Einkommen verfügten. Da in den meisten Gebäuden Modernisierungsbedarf bestünde, liege ein Verdrängungsrisiko durch Mieterhöhungen nach Modernisierungen vor (Urteil vom 26.3.2021, Az. OVG 2 A 13.19).
Ist im Milieuschutzgebiet eine Eigenbedarfskündigung möglich?
Grundsätzlich ja. Einschränkungen gibt es jedoch, wenn diese vorgenommen wird, um die
Wohnung künftig
beruflich oder gewerblich zu nutzen. Diese Nutzungsänderung wäre im Milieuschutzgebiet genehmigungspflichtig. Die Genehmigung müsste vor Ausspruch der Kündigung vorliegen. Dass sie erteilt wird, ist jedoch eher unwahrscheinlich.
Beispiel: In Berlin hatte ein Vermieter den Mietern einer Wohnung in einem Milieuschutzgebiet gekündigt. Er wollte in dem Haus kombinierte Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten für seine Ehefrau und sich selbst schaffen. Dort sollte eine Praxis für Psychotherapie entstehen. Allerdings beantragte er keine Genehmigung für eine Nutzungsänderung von Wohnräumen.
Seine Räumungsklage wurde zunächst vom Amtsgericht und dann auch vom Landgericht abgewiesen. Bei einer Eigenbedarfskündigung in einem Milieuschutzgebiet seien die Absichten des Vermieters auch daraufhin zu prüfen, ob sie mit den besonderen rechtlichen Gegebenheiten eines solchen Gebiets in Einklang stünden und ob die geplante Nutzung von der Behörde genehmigt werde. Dies sei hier nicht der Fall. Ohne zulässigen Eigenbedarfsgrund sei die Kündigung nicht wirksam (Urteil vom 12.8.2015, Az. 65 S 531/14).
Blockieren Erhaltungssatzungen energetische Modernisierungen und Wärmepumpen?
Dies hängt von der genauen Formulierung der Satzung ab. Manche
Erhaltungssatzungen enthalten sehr restriktive Vorgaben zu jeglichen Modernisierungsprojekten. So ist aus
Berlin bekannt, dass dort selbst Modernisierungen zur Wärmedämmung oder Wassereinsparung nur sehr zögerlich oder gar nicht genehmigt werden. Nicht einmal ein ausdrücklicher Verzicht der Vermieter, aufgrund dieser Verbesserungen die Miete zu erhöhen, ändert daran etwas. In Berlin gibt es 81 Milieuschutzgebiete.
Das
Bezirksamt Hamburg-Altona hat jedoch kürzlich entschieden, dass es keine Einwände gegen Wärmepumpen auch im Gebiet einer städtebaulichen Erhaltungssatzung erheben wird. Diese würden zur modernen, klimagerechten Infrastruktur eines Hauses gehören und seien nicht Teil der städtebaulichen Gestaltung.
Hier kommt es also sehr auf die
zuständigen Behörden vor Ort an. Vermieter sollten sich bei entsprechenden Planungen über die Vorgehensweise vor Ort informieren.
Berlin: Urteile zu Balkonen und beheizten Handtuchhaltern
Das
Verwaltungsgericht Berlin hat sich mit zwei Fällen befasst, in denen Vermieterinnen Modernisierungen an ihren Wohnungen in einem Milieuschutzgebiet vornehmen wollten. Das Bezirksamt hatte diese jedoch nicht genehmigt. In einem Fall ging es um den Einbau eines wandhängenden WCs und eines beheizbaren Handtuchhalters in einer einzelnen Mietwohnung.
Im anderen Fall wollte die Vermieterin bei insgesamt 13 Wohnungen eines Mehrfamilienhauses kleine
Balkone von 4 qm Fläche nachrüsten. Das Bezirksamt stellte sich auf den Standpunkt, dass es sich bei diesen Veränderungen um unzulässige wohnwerterhöhende Änderungen handle. Sie gingen über den zeitgemäßen Ausstattungszustand der Wohnungen hinaus und seien daher im Milieuschutzgebiet nicht erlaubt.
Das Verwaltungsgericht war jedoch anderer Ansicht. Das
Baugesetzbuch biete durchaus Spielraum für eine durchschnittliche, zeitgemäße Ausstattung von Wohnungen auch im Milieuschutzgebiet. Eine Genehmigung sei nicht nur dann zu erteilen, wenn es um die Erfüllung von bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen ginge. Das Gesetz erlaube durchaus auch eine Verbesserung des Ausstattungsstandards auf das Niveau mittlerer Wohnverhältnisse.
Was
mittlere Wohnverhältnisse seien, müsse nach bundeseinheitlichen Standards beurteilt werden. Die hier beantragten Modernisierungen seien bundesweit verbreitet. Die
Mietspiegel der meisten größeren Städte würden sie nicht als wohnwerterhöhende Maßnahmen ansehen. Daher sprach das Gericht den Vermieterinnen in beiden Fällen einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zu (Urteil vom 2.4.2025, Az. VG 19 K 17/22 und VG 19 K 351/23).
Wichtig: Vermieter müssen auch für erlaubte Maßnahmen immer eine Genehmigung beantragen.
letzte Änderung U.M. am 26.07.2025
Autor(en):
Herr Ulf Matzen
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Autor:in
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Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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